Strategien & Wissen

Trend Trading – Kunst oder Wissenschaft?

Trend Trading, auch als Trendfolge bezeichnet, bedeutet das Trading von Basiswerten in einem etwas größeren Zeitabschnitt. Mindestens so groß, dass ein Trend „mitgenommen“ werden kann, also nicht nur Sekundenhandel oder Scalping. Trend Trading ist in diesem Sinne eher mit Swing Trading vergleichbar, eine Position wird also auch oftmals über mehrere Tage gehalten, bevor sie verkauft wird.

Das Thema „Kunst oder Wissenschaft?“ soll beleuchten, inwiefern man gewissermaßen das Vorhersehen und Traden von Trends wissenschaftlich beurteilen kann und inwiefern es vom Fingerspitzengefühl und auch Glück des Traders abhängt, ob eine Position erfolgreich verläuft.

Zunächst sollte erklärt werden, wie das Trading von Trends sich von anderen Arten unterscheidet und ob Trends überhaupt planbar und vorhersehbar sind. In welchem Fall kann man dabei von Erfahrungswerten profitieren, sprich vom Können des Traders reden?

 

Die Regeln beim Trend Trading

Trendhandel Ein- und AusstiegeBeim Trend Trading hat ein Trader normalerweise feste Ein- und Ausstiegskriterien, die der Basiswert erfüllen muss, damit eine Position in ein vorher bestimmtes Raster fällt und überhaupt getradet wird. In der Regel sind dies Signale, die aus dem Chart abgelesen werden und die dann in einer festen Strategie umgesetzt werden. Beispielsweise kann dies das Durchbrechen eines Widerstandsniveaus sein, das Erreichen eines festgelegten Preislevels oder ähnliches.

Wenn ein Trader nach festen Kriterien den Markt beurteilt und das Eingehen einer Position sich nach der Beurteilung des Traders richtet, kann man dies in gewisser Hinsicht den wissenschaftlichen Aspekt des Tradings nennen. Hingegen würde der Aspekt „Kunst“ dafür stehen, dass ein Trader seinen bestimmten Basiswert besonders gut einschätzen kann, seine Trades also nach Gefühl und persönlicher Einschätzung platziert, ohne vorher bestimmte Parameter aufstellen zu müssen etc. Kunst würde in diesem Sinne bedeuten, dass der Trader die Möglichkeit hat, in seinem Gebiet der beste zu sein. Also entweder der beste Trader dieser einen einzigen Strategie, der beste Trader dieses einen Basiswertes und ähnliches.

Der Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft im Trading bezeichnet also die Anwendbarkeit, Skalierbarkeit und die Möglichkeit, Systeme zu verallgemeinern. Der Künstler kann erfolgreich sein, tradet aber nie nach einem für andere Trader nachvollziehbaren und skalierbaren System. Der wissenschaftliche Ansatz schafft Standardfälle, in denen eine Position eingegangen wird, geschlossen wird, Indikatoren ausgelesen werden usw. Das bedeutet, nach einer streng wissenschaftlichen Methode wäre jeder Trader, der die gleichen Parameter erfüllt, gleich gut. So ist es aber in Wirklichkeit nicht. Zwar traden unzählige Trader nach Trendfolgesystemen, die Qualität ihrer Arbeit weicht aber in der Realität doch weit voneinander ab – woran liegt das?

Trend Trading Chart
Das Traden eines Trends bedarf eines Systems, das Anfang und Ende des Trends erkennt. Die wissenschaftliche Herangehensweise besteht darin, Kriterien zu bestimmen, die sich auf jeden Trade anwenden lassen. Dies lässt sich zu einer Strategie ausarbeiten.

 

Anhand dieses Beispiels werden zwei fiktive Situationen im Trading einander gegenübergestellt. Diese stehen symbolisch für den Vergleich von Trading als Kunst, also basierend auf persönlichem Geschick und Trading als wissenschaftliches Vorgehen – also skalierbar nach festen Parametern.

Zugegebenermaßen handelt es sich hier um einen Vergleich, der auf den ersten Blick unfair erscheint. Während der wissenschaftliche Ansatz feste Rahmenbedingungen zum Traden vorgibt, die der Trader nicht umgeht, hat der „Künstler“ freie Hand in der Gestaltung seines eigenen Tradingstils.

 

Wie sieht die Realität aus?

In der Realität ist Trading natürlich weder als Kunstform zu betrachten, noch als Wissenschaft . Man kann jedoch die erfolgreichsten Trader und ihre verschiedenen Herangehensweisen einander gegenüberstellen und wird feststellen, dass es zwar erhebliche Unterschiede geben kann, dass jedoch der grundsätzliche Ansatz meistens nicht sehr stark voneinander abweicht.

Ein angehender Trader bekommt zu Anfang fast immer die gleichen Tipps zu hören, nach denen er sich unbedingt richten sollte. Diese betreffen berechtigterweise sein Risiko- und Moneymanagement und das Erarbeiten einer Strategie. Gleichzeitig soll er aber den sogenannten Herdentrieb vermeiden und sich eine eigene Meinung vom Markt bilden. Als Anfänger kann man sich hiermit leicht überfordert fühlen. Eine eigene Meinung zu etwas, von dem man anfangs keine Ahnung hat und wenig versteht, kann man sich einerseits überhaupt schwer bilden, andererseits ist diese Meinung oft falsch.

 

Wie sollte ein Anfänger also an das Trading herangehen?

Wie bereits oben erwähnt wurde, sind skalierbare Systeme für jeden praktisch anwendbar. Selbst wer von der aktuellen Marktbewegung und deren Bedeutung für den Basiswert keine wirkliche Ahnung hat, kann ein System anwenden, das ihm feste Parameter definiert, wann eine Position zu eröffnen und wann sie zu schließen ist. Für einen angehenden Daytrader sollte es also ein System geben, nach dem er möglichst wenig eigene und unabhängige Entscheidungen treffen muss – ein wissenschaftliches System also.

Ein streng wissenschaftliches Trend Trading System beinhaltet Einstiegssignale, einen vorher definierten Toleranzbereich – beispielsweise für einen Trailing Stop – und Ausstiegssignale. Im Grunde braucht es nicht mehr dazu, ein System zu entwickeln. Warum aber ist solch ein simples System nicht derart erfolgversprechend, dass jeder nach diesen definierbaren Regeln tradet und schnell reich wird?

 

Der Markt ist dynamisch, globalisiert und nicht isoliert zu betrachten

In der Realität tradet man meistens nicht nur einen Basiswert. Doch selbst wenn dem so wäre, würde es nicht ausreichen, sich immer nur diesen einen Basiswert zu betrachten, sondern man müsste immer auch diejenigen Märkte beobachten, welche einen nennenswerten Effekt auf den eigenen ausüben. Hier liegt der sogenannte „künstlerische“ Aspekt.

Das oben beschriebene System, das für einen unerfahrenen Trader möglichst einfache Signale ausbildet und sich immer wieder replizieren lässt, achtet nicht auf die Marktbewegungen, die eventuell ursächlich sind für die Bewegungen des eigenen Basiswertes. Es definiert nur Ein- und Ausstiege anhand von Bewegungen, Korrekturen und Trends im eigenen Markt. Dieses System kann praktisch von jedem sofort übernommen werden, da jeder dieselben Signale erhält und nach festen Kriterien den Markt betritt und verlässt.

Dem Trader, der beim Trend Trading so vorgeht, fehlt jedoch die Erfahrung, vorhersehen zu können, inwiefern andere Ereignisse der Weltwirtschaft den eigenen Basiswert betreffen könnten und eine Umkehrbewegung auslösen könnten. Dies ist der Grund, warum eben nicht alle Trader, die ein möglichst simples System traden, gleich erfolgreich sind.

Insbesondere der Devisenmarkt ist sehr begehrt beim Daytrading, da ein hohes Handelsvolumen eine große Liquidität bedeutet und ein großes Marktsegment sich darauf spezialisiert hat, Devisengeschäfte durch Fremdkapitalaufnahme schnell und einfach zu hebeln. Es gibt keinen Markt auf der Welt, der höher kapitalisiert ist, wo mehr und schneller gehandelt wird.

Grundsätzlich ist es daher für absolute Einsteiger besonders schwierig und gefährlich, ohne Erfahrung in den Markt einzusteigen. Eben dieser Devisenmarkt ist aber in besonders hohem Maße von anderen Märkten und Wirtschaftsereignissen abhängig. Wer diese nicht richtig deuten kann, die Zusammenhänge nicht richtig versteht und zwischen wichtigen und unwichtigen Nachrichten nicht unterscheiden kann, wird auf Dauer in diesem Geschäft keinen Erfolg haben.

Trendhandel
Der künstlerische Aspekt besteht darin, sich beim Trend Trading nicht von kurzfristigen Ausbrüchen emotional beeinflussen zu lassen. Ein erfahrener Trader ist in der Lage, zu erkennen, welche Wechselwirkungen der Markt mit sich bringt. Hier ist beispielsweise eine Kerze mit viel Volumen und Momentum zu erkennen, die aber keinen Trendausbruch bedeuten muss. Kurzfristige Nachrichten wirken sich selten auf Trends aus.

 

Eine strikte Trennung der beiden Bedeutungen ist nicht möglich

Spätestens jetzt erkennen Sie, dass es sozusagen auf beide Komponenten beim Trend Trading ankommt. Das erforderliche Maß an Erfahrung und richtiger Beurteilung von Marktkomponenten und Wechselwirkungen schließt ein simples und skalierbares System nicht grundsätzlich aus. Es ist jedoch unrichtig, davon auszugehen, dass diejenigen Daytrader, die bereits über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz verfügen, ohne feste Kriterien genauso gut traden könnten. Bei anderen Arten des Tradings ist dies vielleicht noch eher vernachlässigbar, doch das Erkennen von Trends und das richtige Einschätzen von Marktphasen auf höheren Zeitebenen ist nur mit einem System zu erreichen.

Das bedeutet, dass auch sehr erfahrene Marktteilnehmer sehr wohl immer noch nach möglichst eindeutigen Signalen Ausschau halten. Der Begriff „Kunst“, der in der Einleitung das Thema eröffnet hat, ist deswegen keinesfalls misszuverstehen. Es handelt sich hier weder um „Glück“, noch um „Hellsehen“. Der Unterschied liegt darin, dass auch bei einem System, welches die meisten Handelskriterien fest vorgibt, nur dann funktioniert, wenn auch eine Bewertung der Komponenten erfolgt, die nicht durch ein System zu erfassen sind.

Sie sehen nun, die oben angedeutete Unterscheidung von zwei Arten von Tradern ist grundsätzlich falsch. Es gibt weder die rein wissenschaftlichen Trader, noch diejenigen, die Trading wie eine Art Kunstform betreiben.

 

Fazit: Auf die Erfahrungsstufe kommt es an

Bei der Frage, ob Trend Trading als Kunst oder Wissenschaft zu bezeichnen ist, sollte man hinsichtlich der Tradingerfahrung urteilen. Während unerfahrene Marktteilnehmer ein System brauchen, das nach möglichst festen Kriterien arbeitet und auch gegen ungewünschte Marktbewegungen den bestmöglichen Schutz bietet, haben Daytrader, die bereits Erfahrung in vielen verschiedenen Märkten mitbringen, den Vorteil, nicht allein auf die Kriterien des Systems angewiesen zu sein.

Dies bedeutet nicht, dass sie nicht ebenfalls von einem einfachen und simplen System profitieren. Der Aspekt „Kunst“ bezeichnet lediglich die Fähigkeit, Marktereignisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für das eigene Trading und ihrer Wichtigkeit richtig einordnen zu können und somit das Risiko von Fehlentscheidungen zu minimieren. „Wissenschaft“ bedeutet, dass Trading immer ein festes System haben muss und nicht wie ein Glücksspiel funktionieren kann. Besonders im Bereich des Risikomanagements sind Trader mit weniger Erfahrung gut beraten, nach berechenbaren Größen vorzugehen und sich nicht auf ihr Gefühl zu verlassen. Dieses Gefühl kann oftmals den Unterschied ausmachen zwischen Gewinn und Verlust, zwischen Erfolg und Versagen.


 

Bildmaterial: © PeJo/Shutterstock.com; © taa22/Shutterstock.com

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