Börsenweisheiten
Strategien & Wissen

Sind klassische Verhaltensregeln an der Börse auch auf Daytrading anwendbar?

Viele weltbekannte Finanzmogule und Börsenhändler haben in den vergangenen 100 Jahren Bücher geschrieben, die viele allgemeine Weisheiten, aber auch Halbwahrheiten enthalten. Sind diese auch uneingeschränkt gültig beim Daytrading? Wir nehmen Sie in diesem Artikel mit, in einen Exkurs in die Geschichte des Börsenhandels.

 

Die „goldenen Regeln“

In der Vergangenheit sind durch unzählige Werke verschiedener bekannter Börsenhändler unterschiedlichste Weisheiten und Regeln verbreitet worden, die angeblich zu mehr Erfolg beim Handel mit Aktien verhelfen sollen. Es ist jedoch schwierig, schon die „goldenen Regeln“ an sich zu isolieren von Unwahrheiten. Doch inwieweit diese für den Alltag als Daytrader Bestand haben, bedarf noch einer tiefergehenden Analyse.

Daytrading als sogenannte Königsdisziplin unter den Handelsformen an der Börse hat sich erst vergleichsweise spät entwickelt, zumindest in der Form, wie wir es heute kennen. Der eigentliche Börsenhandel existiert schon seit dem 15. Jahrhundert. Die Börse machte in vielen hundert Jahren Entwicklungen durch, Höhen und Tiefen gehörten schon immer dazu. Aus diesen Jahrhunderten gingen periodenweise Händler hervor, die mit besonderem Geschick einen herausragenden Erfolg genossen.

 

Wie haben die Händler in der Vergangenheit gelernt? Wie lernen wir heute?

Börse TraderDie Frage, wie, oder besser woraus die Händler in der Vergangenheit lernen konnten, zeit die Geschichte. Fehlverhalten musste zu damaliger Zeit genauso akribisch analysiet werden, wie es heute der Fall ist. Denn bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts ereignete sich ein fulminanter Crash, der England in eine finanzielle Krise stürzen sollte. Der Staat war zu Beginn der Krise bereits hoch verschuldet. Die South Sea Company, eine stark überbewertete Firma, gab zu diesem Zeitpunkt Aktien aus, die jeder besitzen wollte. Es entwickelte sich eine Blase – ein immer wiederkehrender Fehler an der Börse, der viele über Nacht arm gemacht hat. England suchte seine Schulden in Anteile an der South Sea Company umzuwandeln – und potenzierte den Verlust, als die Blase platzte.

Ähnlich erging es bereits im 17. Jahrhundert Holland mit der sogenannten Tulpenblase.

Was zeigen uns diese historischen Crashszenarien und die daraus abgeleiteten Maßnahmen für heutiges Trading? Wie ging man mit diesen Verlusten um?

 

Die Gefährlichkeit einer Handelsblase

An den Folgejahren der Tulpenblase in Holland kann man ablesen, wie tiefgreifend eine solch maßlose Überbewertung in Verbindung mit weitreichender Spekulation seitens der Händler sein kann. Erstaunlicherweise könnte man sich zur heutigen Zeit einen solchen Crash genau gleich vorstellen wie im 17.Jahrhundert. Viele Händler denken, dass heute Schutzmechanismen, Warnungen und ein besseres Netz von Informationen, sowie unsere moderne Elektronik einen so tiefgreifenden Absturz unwahrscheinlicher oder vorhersehbar machen würden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Die Wahrheit ist:

FinanzkriseNachdem in Holland ein sturzartiger Preisverfall für Tulpen eingesetzt hatte, folgte eine jahrelange finanzielle Depression. Der Börse ging es schlechter als jemals zuvor. Man hatte Zeit, die vergangenen Jahre zu rekapitulieren und kam zu dem Schluss, dass die schnell steigende Nachfrage nach Tulpengewächsen eine Blase ausgelöst hatte, die schlussendlich nicht mehr standhielt. Als aufgrund der hohen Preise die Nachfrage sank, verkauften die ersten noch mit Gewinn.

Die Gefahr jedoch setzt genau hier ein: es kann sich kein stabiler Preis mehr halten, auf dessen Niveau verkauft werden kann und sich wieder eine stabile Nachfrage einpendeln kann. Es kam also zum Crash: immer mehr Händler wollten aufgrund des sich anbahnenden Preisverfalls schnellstmöglich ihre Tulpen loswerden, egal zu welchem Preis. Die finanzielle Depression setzte ein, Verluste in Millionenhöhe waren die Folge.

 

Ein Crashszenario nährt sich durch Spekulation

Während die Börse sich nunmehr immer professioneller entwickelte und zum wichtigsten Indikator und Instrument für den weltweiten Handel wurde, verbesserte sich auch das Verhalten der Händler an der Börse. Man lernte allmählich, seine Gier zu zügeln und seine Angst zu kontrollieren – oder doch nicht?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte sich in Amerika ein Crash nähren, der die Händler wie ein Blitzeinschlag treffen und der auch noch fast 100 Jahre später Bücher und Fachartikel füllen würde. Während die Weltwirtschaft florierte und die USA zur größten Handelsmacht emporstiegen, war man besonders an der Börse guter Dinge. Indizes entwickelten sich zum wichtigsten Wirtschaftsindikator, sozusagen ein Barometer des Reichtums und der gesamten wirtschaftlichen Lage: Der Dow Jones war der ganze Stolz der amerikanischen Börse.

 

Analogien zum heutigen Börsengeschehen und Trading?

Die weitere Entwicklung in Amerika ist stellvertretend ein perfektes Beispiel, welches auch auf heutige Entwicklungen anwendbar ist und aus dem viele Trader auf ihr eigenes Verhalten und auch ihre eigenen Denkmodelle reflektieren können.

Gegen Anfang der 1920er Jahre wuchs der Optimismus an der Börse nochmals. Der Dow Jones, wie bereits erwähnt sozusagen das Leitbild des Börsenhandels, wuchs schnell und die wirtschaftliche Lage hätte nicht besser sein können. In den USA sollte man noch lange Zeit den Begriff der „goldenen Zwanziger“ verinnerlichen.

Durch das wirtschaftliche Wachstum beflügelt, stiegen immer mehr Händler mit ihrem Firmen- und Privatkapital ein und kauften Aktien und Schuldscheine. Jeder war sich sicher, dass die goldenen Zeiten so schnell nicht enden würden. Die Lage der Weltwirtschaft war besser als jemals zuvor, Amerika lebte sprichwörtlich den amerikanischen Traum. Hier nahm jedoch bereits das schwelende Unheil seinen Lauf – eine Geschichte, die uns auch aus jüngsten Zeiten eigentlich bereits bestens bekannt sein sollte.

Immer mehr Anleger waren wie versessen auf die Börse und stellten sich bereits ihren baldigen Reichtum vor. Um möglichst hohe Profite zu erwirtschaften, musste jedoch eine ausreichend große Anlagesumme her. Somit begab man sich zur Bank und handelte fortan auf Kredit. Da die Banken das Wirtschaftswunder ja mit eigenen Augen sahen, bestand auch für sie kein Zweifel, kräftig mit zu verdienen und sie schütteten astronomische Kreditsummen an die Anleger aus, damit diese mit dem geliehenen Geld handeln konnten.

Natürlich handelte es sich nicht um ein echtes „Wunder“, sondern, wie so oft an der Börse nur um eine übertriebene Euphorie aufgrund steigender Kurse. Gegen Ende der 1920er Jahre wurde das Wachstum zunächst langsamer und stagnierte in der Folge mehr und mehr. Die ersten Anleger wurden ängstlich und zweifelten an ihrem Investment.

Das Ergebnis sollte schnell und lawinenartig folgen. Immer mehr Anleger bekamen Angst, ihren Kredit nicht zurückzahlen zu können und verkauften ihre Anteile. Eine Lawine von panischen Verkäufen erschütterte die Börsenwelt, die Blase platzte. Der Höhepunkt ist uns heute als der „schwarze Freitag“ bekannt.

Der Dow Jones büßte über die folgenden Jahre über 900 Prozent ein, das Land versank in einer astronomischen Depression – durch die zunehmende Vernetzung von Handelsplätzen und Handelsgütern folgte eine weltweite Krise: die erste Weltwirtschaftskrise.

 

Parallelen zum heutigen Börsengeschehen

Es ist erschreckend, wie eindrucksvoll die Geschichte unter Beweis stellen konnte, dass Spekulation einen ganzen Markt zum Zusammenbrechen bringen kann. Doch haben die Händler sich diese Erfahrungen zunutze gemacht?

Nur bedingt. Natürlich wurde in der Folgezeit zwar das euphorische Marktverhalten zurückgeschraubt und man besann sich auf die realistische Bewertung von Basiswerten. Doch der Lauf der Geschichte sollte zeigen, dass eine ausreichend große Summe an Anlegern durchaus einen Basiswert so sehr aufblasen kann, dass sich eine erneute Blase entwickelt.

Immer dann, wenn eine bedeutende Neuerung den Markt erobert und dieser Neuerung eine große Zukunft vorausgesagt wird, besteht die Gefahr einer Blase.

Trader müssen hier enorm vorsichtig sein. Zum einen wird auch noch heute, genau wie in den 1920er Jahren, auf Kredit gehandelt. Durch Trading mit Leverage ist diese Art zu handeln sogar noch populärer denn je. Sozusagen ein Kredit ohne Bonitätsprüfung, mit dem dann teilweise enorm riskante Geschäfte gemacht werden.

Auch nach den wertvollen und durchaus sehr schmerzhaften Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise ließ man sich zu Beginn der Jahrtausendwende nicht davon beirren. Das Internet hielt Einzug in Privathaushalte – die Welt wurde vernetzt. Das Zeitalter der Globalisierung war gekommen, jetzt konnte endgültig nichts mehr schiefgehen. Schmerzlicherweise doch.

Zu Beginn der Dotcom-Blase passierte genau das, was auch die 1920er erschütterte: Überbewertung und Spekulation. Kleine Unternehmen gingen ohne ernsthafte Bewertung an die Börse, verkauften Aktien wie Zeitungspapier. Jedes Unternehmen, das lediglich einen Namen hatte, der mit Internet, Technik und dem goldenen Zeitalter der Globalisierung in Verbindung gebracht wurde, wurde von hungrigen Anlegern gekauft. Der Markt konnte ja schließlich nur steigen. Vergessen waren die Weisheiten von damals, die guten Vorsätze und die soliden Strategien, nach denen gehandelt werden soll. Hier war schließlich das ganz große, ganz schnelle Geld zu holen. Jede Hausfrau brauchte Aktien – endlich sollte dann doch noch jeder reich werden; gottseidank.

So waren kleinste Firmen maßlos überbewertet, es entstand die schnellste und dynamischste Blase schlechthin. Viele handelten auf Kredit und verloren dabei alles.

 

„Hören Sie nie darauf, was die Anderen erzählen!“

Die wahrscheinlich einzige, allgemeingültige und unumstößliche Börsenregel, die Ihnen vielleicht einmal das Leben an der Börse retten könnte. Der Herdentrieb ist eines der größten Probleme, er begleitet das Börsengeschehen von Anfang an. Leider lassen sich viele Trader immer wieder von ihrer eigentlich soliden Strategie ablenken, weil sie irgendwo doch noch das schnelle Geld wittern und den falschen Gurus vertrauen.

Blasenbildung hat schon viele Profis mit Millioneneinlagen Kopf und Kragen gekostet – aus Gründen reiner Gier. Wenn Sie wirklich meinen, Sie hätten den heiligen Gral gefunden, sollten Sie dies noch einmal ganz genau analysieren.

Machen Sie vor allem nie denselben Fehler zweimal. Eine solide Strategie beim Trading ist das, was Sie auf Dauer zum Ziel bringt.


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